Transparenz gelehrt, Transparenz gelebt – Werkstattbericht aus dem lab

Wir im lab werkeln nun seit einer Weile am Projekt demokratie.io. Erreichen wollen wir so einiges: Innovative digitale Demokratie-Projekte ins Machen bringen, sie zum Peer-Learning anregen und dazu, ihre eigene “Learning Journey” auf dem Blog zu dokumentieren – und damit Lernfortschritte, Herausforderungen und Erfolge zu reflektieren.

Lebenslanges und organisationales Lernen, sowie stetiges Reflektieren werden bei uns groß geschrieben. Jetzt wollen wir uns einen Moment Zeit nehmen um aufzuschreiben, was seit Herbst letzten Jahres so passiert ist, was gut gelaufen ist, und wo noch Luft nach oben ist. Wir stellen uns selbst die Frage: Was also haben wir in 6 Monaten demokratie.io gelernt?

 

  • Am Anfang war das Wort – das gilt noch immer. Demokratie ist überall. Und gleichzeitig auch nirgends greifbar. Ein komplexes Ding, diese Demokratie. Da lohnt die Rückbesinnung: Was meint eigentlich Demokratie und wie lässt sich das erfassen? Neben dem altbekannten “Lesen, lesen, lesen” braucht es vor allem einen Realitätscheck. Wir sind also losgezogen und haben mit Menschen gesprochen, die sich schon seit einer Weile mit (digitaler) Demokratie beschäftigen und festgestellt: Jeder definiert Demokratie anders. Um das für sich selbst zu entwirren, muss man also eine eigene Arbeits-Definition entwickeln. Damit diese dann auch anderen zugänglich wird, schreibt man diese am besten gleich transparent auf. Somit hat man für sich und andere eine Grundlage, die einem hilft, ein solche weites Thema für einen konkreten Zweck – in unserem Falle die Ausschreibung für den Innovationswettbewerb – einzugrenzen und nachvollziehbar zu machen.

 

  • Communication is Queen. Und zwar vor allem: personalisiert. Unermüdliches Durchklicken auf Twitter, Mail Kontakte und Visitenkarten durchforsten, auf Veranstaltungen herumspringen…es lohnt sich! Damit der Outreach nicht wie eine weitere Sammelmail versandet, empfiehlt es sich wirklich, etwas Gehirnschmalz in die Strategie und Zeit in die Umsetzung zu investieren. Das ist ressourcenintensiv, aber bei uns hat’s funktioniert: Für ein recht zugespitztes Thema (Demokratie und digital und innovativ und gemeinnützig) haben wir 50 (!) Bewerbungen erhalten! Neben dem personalisierten Streuen auch noch den ein oder anderen bezahlten Social Media Post abzusetzen, hat dann dafür gesorgt, auch Gruppen jenseits der bestehenden Netzwerke zu erreichen.

 

  • Regeln aufstellen ist erstmal toll, diese dann auch zu befolgen, kann dennoch nerven. Zunächst hatten wir eingegrenzt, was wir mit Demokratie meinen (s.o.). Davon ausgehend haben wir klar umrissen, was wir mit dem Innovationswettbewerb eigentlich fördern wollen, um dann doch festzustellen: Ganz so einfach ist es nicht. Wenn wir mit den Kategorien Transparenz, Meinungsaggregation, Diskurs und Crowdsourcing von Inhalten auch skizziert haben, welche Aspekte digitale Demokratie beinhaltet, ist uns schnell klar geworden: In der Praxis ist das alles schwammiger als in der Theorie. Was ist mit einem Projekt, das ein analoges Bildungsprogramm für benachteiligte Gruppen durchführt, damit diese an der digitalen Welt teilhaben können? Oder wie schaut es aus mit einer tollen Kampagne, die bestehende digitale Infrastruktur (meist Social Media) nutzt, um auf ein gesellschaftliches Problem aufmerksam zu machen? Wir haben uns letztlich wieder auf unsere eigenen Regeln besonnen: Nur, wenn die Komponenten digital und innovativ ausreichend vorhanden sind, wird das Projekt als Finalist vorgeschlagen und der Jury vorgelegt. Somit mussten wir einigen Projekten, die wir an sich gut fanden, dennoch eine Absage erteilen. Leicht gefallen ist uns das nicht, aber es war wichtig, um einen effizienten Auswahlprozess zu gewährleisten.

 

  • Das Ding mit der Gemeinnützigkeit ist ein Flaschenhals. So gut wir verstehen, dass die Vergabe öffentlicher Gelder zur Nachprüfbarkeit der gemeinnützigen Mittelverwendung auch nur an gemeinnützige Träger erfolgen kann, so schade finden wir es, dass dadurch einige, vor allem ganz neue Ansätze, von vornherein keine Chance auf Förderung haben. Kreativität wird dadurch in eine Form gepresst, die nicht immer passt. Unübliche, gar verrückte Ansätze, oder frisch aus dem Ei gepellte Ideen (hallo Innovation!), die noch kein gemeinnütziges Rechtskleid tragen, können somit nicht beachtet werden. So mussten wir coole Ideen wie Design Democracy oder We Public auf’s nächste Jahr vertrösten, wenn sie (hoffentlich) ihre Formalitäten zur Vereinsgründung geklärt haben. Allen noch nicht gemeinnützigen Projekten konnten wir zumindest anraten, sich auf die Schnelle noch einen gemeinnützigen Träger zu suchen – das hat in einigen Fällen auch geklappt!

 

  • Ein schlank geplanter Auswahlprozess ist nur auf den ersten Blick effizient! Auf den zweiten, naja. Kurzes Intro zum Szenario: Projektstart, fixes detailliertes Ausarbeiten eines Juryprozesses, kaum Vorlauf zum Jury anfragen, dann auch noch Vorweihnachtszeit. All diese Aspekte haben uns dazu bewogen, einen möglichst schlanken Auswahlprozess aufzusetzen. Wie der aussah? Jedes Jurymitglied bekommt einen Teil der eingereichten Projektskizzen und bewertet die zufällig zugewiesenen Bewerbungen durch Punktevergabe anhand des Jurybriefings. Das betterplace lab ergänzt die jeweilige Bewertung um eine eigene Punktebewertung anhand derselben Kriterien (alles auch nachzulesen in den Teilnahmebedingungen). Dass das betterplace lab also alleinig alle Bewerbungsskizzen lesen und somit miteinander vergleichen kann, befanden wir zunächst aufgrund unserer breit gefächerten Expertise im digital-sozialen Feld wenig problematisch. Dass einige Menschen aber grundsätzlich großzügiger, und andere grundsätzlich etwas sparsamer Punkte vergeben – und das mit diesem System ins Gewicht fallen könnte – fiel erst beim Zusammenführen aller Punkte auf. Zwischen den beiden Bewertungen (je durch das Jurymitglied und das betterplace lab) haben wir stets den Durchschnittswert ermittelt; kam uns die Abweichung der Punkte zu groß vor, haben wir durch ein weiteres Jurymitglied bewerten lassen, so geschehen in einem Fall. Alles Details, folgende Learnings nehmen wir mit: qualitative Bewertung einführen (mindestens ein zusammenfassender Satz), Feedback-Loop zur Nachfrage bei Bewerbern ermöglichen, ggf. eine Jurysitzung zum Durchsprechen anberaumen. Wie gut, dass wir in diesem Jahr bei der zweiten Förderrunde nochmal die Chance bekommen, das besser zu machen!

 

  • Papierkram ist doof. Na gut, ein bisschen Papierkram muss sein, das wissen wir alle. Aber dass uns auf die letzten Meter wegen einiger Paragraphen ein Gewinner abspringt, damit haben wir nicht wirklich gerechnet. Die Gründe des Verschmähens könnt Ihr hier nachlesen, wir finden: Wenn auch in diesem besonderen Fall in Teilen nachvollziehbar, trotzdem doppelt schade, weil Mehrarbeit für uns. Wäre vermeidbar gewesen? Jein. Leider wurden auch wir erst peu à peu mit den rechtlichen Bedingungen (aka Zuwendungsbescheid) vertraut gemacht, sodass wir am Tag X der Ausschreibung noch nicht alle klitzekleinen Regularien a priori kannten, und diese folglich auch nicht allen Bewerbern hätten zuteil werden lassen können. Darüber hinaus muss man sagen, dass Förderungen immer einem gewissen Regelwerk unterworfen sind, wie sich dieses im Detail ausgestaltet, ist das eine. Dass man aber gewissen Formalitäten gerecht werden muss, war schon absehbar. Wir nehmen’s an der Stelle jedenfalls nicht übel und hoffen auf über demokratie.io hinausgehendes, weiteres konsktruktives Umgehen mit dieser Situation – der Demokratie zuliebe!

 

  • Agilität können wir! Die beschriebene Situation um den Rücktritt hat uns sicherlich ins Schwitzen gebracht, jedoch hat uns schnelles, digitales Zusammentrommeln und Zusammenarbeiten aller Beteiligten (will sagen: Familienministerium (BMFSFJ), Robert Bosch Stiftung und alle Jurymitglieder) dazu gebracht, dass wir nun ein anderes Projekt mit 20.000 Euro Fördersumme ausstatten konnten (die aktualisierte Gewinnerliste findet Ihr hier). Dafür ein großes Danke an alle Involvierten, die in diesem Fall so schnell, konstruktiv und zielführend mitgewirkt haben!

 

  • Netzwerken ist Beziehungsarbeit, die Zeit braucht. Ein großes Projektziel von demokratie.io ist der Brückenschlag zwischen den digitalen Innovatoren – gerne auch Civic Tech-Szene genannt – und den etablierten Akteuren der Demokratieförderung, seien es Stiftungen, Wohlfahrtsverbände, die Verwaltung und die Politik. Wir stellen fest: Entsprechende Gespräche sind für das lab ganz gut angelaufen. Aber da geht noch mehr. Schließlich sollen nicht nur wir mit diesen Akteuren sprechen, sondern wir wollen die Innovatoren für sich selbst sprechen lassen. Mit dem Auftaktevent hatten wir die erste Gelegenheit dazu, und doch braucht es mehr Entscheider vor Ort, die an einem solchen Dialog teilnehmen. Da ist also noch Luft nach oben. Deshalb rauchen bei uns aktuell die Köpfe, wie wir den Austausch zwischen digitaler Zivilgesellschaft und altbewährten Organisationen und Institutionen intensivieren können – gerne auch mal ganz analog. Ihr hört von uns!