Engagement trifft auf Talent: Die Gewinner unseres Innovationswettbewerbs 2018

Spannend, energiegeladen und informativ – das war das diesjährige demokratie.io reloaded am 15.11. in den Räumen der Mozilla Foundation. Bei guter Stimmung und mit Blick auf die Spree gaben wir die diesjährigen Gewinner:innen unseres Innovationswettbewerbs bekannt und bekamen von den Teams spannende Einblicke in ihre Arbeit. Das Sahnehäubchen gab’s zum Schluß: Ein intensiver Austausch zur Zukunft der digitalen Zivilgesellschaft und den Wegen, die wir gemeinsam bestreiten wollen, rundete den Abend ab.

Aktiv werden statt resignieren

Die Veranstaltung eröffnete Heiko Geue, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das demokratie.io im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben! fördert. In seiner Rede beschreibt er, was viele von uns umtreibt und unser Engagement deshalb umso wichtiger macht: die Zersplitterung der Öffentlichkeit, Falschnachrichten und den Vertrauensverlust in die Politik. Unser demokratisches Gemeinwesen hat wacklige Beine bekommen.

Michael von Winning, Heiko Geue und Katja Jäger (v.l.n.r.)

Während viele in der Digitalisierung die Ursache für diese Entwicklung sehen, wollen wir uns mit dieser Erklärung nicht begnügen. Und schon gar nicht mit Resignation. Weil wir wissen, dass es vielen anderen auch so geht, soll demokratie.io unsere Energien bündeln und uns neue Wege aufzeigen, wie digitale Tools dabei helfen können, unserem demokratischen Gemeinwesen ein lebendiges und zeitgemäßes Fundament zu bauen. Denn „wenn unsere Demokratie analog bleibt, dann funktioniert sie eben auch nicht mehr.“, sagt der zweite Eröffnungsredner Michael von Winning von der Robert-Bosch-Stiftung, die ebenfalls Förderpartnerin von demokratie.io ist.

Die Gewinner der zweiten Förderrunde

Zum Glück gibt es nicht nur gute Ideen, sondern auch talentierte Menschen, die diese umsetzen wollen. Wir freuen uns darüber, einige von ihnen dabei mit 20.000€ unterstützen zu können und euch hier vorzustellen. Die Gewinnerprojekte der zweiten Förderrunde von demokratie.io sind…

TraceMap – eine Fact-Checking-Plattform, mit der das Team zu einer konstruktiven Diskussionskultur im Netz beitragen will. Das Kernelement ihres Tools ist eine Visualisierungsfunktion für Social-Media-Inhalte, mithilfe derer sich die einflussreichsten Posts zu einem Thema miteinander in Beziehung setzen lassen. Das hilft Nutzer:innen, diese zu analysieren und ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Allegra Pochtler (TraceMap)

SpeakUp – ein von Liquid Democracy e.V. entwickelter Online-Assistent, der bei öffentlichen Diskussionsveranstaltungen Beiträge aus dem Publikum auswählt, die zuvor per Smartphone eingestellt wurden. Das Besondere daran ist eine Filterfunktion, die verschiedene Kategorien, wie etwa Nationalität oder Geschlecht der Beitragenden abfragt und damit eine ausgeglichene Selektion der Beiträge vornimmt. SpeakUp sorgt somit für Inklusion, indem es sicherstellt, dass ein möglichst diverses Spektrum an Menschen gehört wird.  Toll ist das natürlich auch für alle, die nicht so gerne vor Gruppen sprechen, sich aber dennoch beteiligen möchten.

welobby – eine Crowdfunding-Plattform für Lobbyarbeit, mit der „Bürger:innen und NPOs ihre gesetzlichen und politischen Anliegen vorstellen und (mitfinanzierende) Unterstützer:innen finden können.“ Sobald genügend Geld zusammengekommen ist, werden professionelle Interessensvertreter:innen ins Feld geschickt, die bei Politiker:innen Überzeugungsarbeit für das entsprechende Anliegen leisten. Um Transparenz zu gewährleisten, wird es unter anderem eine Multimedia-Timeline geben, über die die einzelnen Schritte im Prozess nachvollzogen werden können, beispielsweise welche Briefe an welche Abgeordneten verschickt wurden, welche Ausgaben getätigt wurden oder mit welchen Personen ein Treffen stattgefunden hat.

Ezra – ein Click Adventure zur pädagogischen Medienbildung vom Landesverband Kinder- und Jugendfilm e.V. Gemeinsam mit Jugendlichen aus Neukölln entwickelt die Gruppe ein digitales Spiel, das reale Orte und lokalen Kontext in das Gamedesign integriert und dabei Handlungsmöglichkeiten im demokratischen Miteinander aufzeigt. Junge Menschen sollen so (un)sichtbare Grenzen überwinden und neue Perspektiven kennenlernen. Außerdem erfahren sie so , dass sie ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft sind und erhalten Ideen, wie sie sich einbringen können.

Digital Identity, Citizenship and Democracy in Europe (DICDE) ist der Name eines Projekts der Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft gGmbH (HIIG), mit dem politische Beteiligungsprozesse gestärkt werden sollen. Die Idee: Nicht nur Politiker:innen, sondern alle Bürger:innen können zu Repräsentanten des politischen Systems werden. Wie funktioniert das? Indem per Zufall Leute aus der Bevölkerung ausgewählt werden, diese sich mithilfe eines digitalen Identitätsverfahrens verifizieren und dannd mit einer App zu bestimmten politischen Fragen oder Themen ihre Meinung äußern oder sogar darüber abstimmen können. Relevante Entscheidungsverantwortung in die Hände der Menschen – adiéu Politikverdrossenheit!

 

Der Blick auf’s Jahr zuvor

Weil wir uns bei demokratie.io Peer-Learning auf die Fahne geschrieben haben, haben wir die Gewinner aus Runde 1 gebeten, vorzutragen, was sie den neuen Gewinnern mit auf den Weg geben würden. Dem sind die Projekte aula, abgeordnetenwatch goes Video und Urban Alternatives nachgekommen, vielen Dank dafür! Ein Best of der Learnings gibt es hier:

Boris Hekele und Joscha Jäger von abgeordnetenwatch.de
  • Die kompliziertesten Dinge zuerst angehen! Das wird für jedes Projekt sicher etwas anderes bedeuten, will aber sagen: Das, was kompliziert oder gar komplex erscheint, lieber zuerst bearbeiten. Sonst zirkuliert das Problem später um sich selbst.
  • Wirkungsorientierung ist wichtig! Könnte man eigentlich auch an Punkt 1 stellen, denn der Ton dazu war unisono: Wirkungsorientierung als strategisches Steuerinstrument und Wirkungsanalyse als Messinstrument sind das A und O. Eben nicht nur zum Wirkung messen, sondern auch, um Wirkung zu verstehen, und sie besser steuerbar zu machen.
  • Auf Toolebene: UX is key! Noch ein englisches Buzzword gefällig? Human Centered Design. Spaß beiseite: Nutzerorientierung sollte bei der Toolentwicklung Dreh- und Angelpunkt sein. Am besten holt man die Leute, die ein Tool letztlich nutzen sollen, schon bei der Planung des Tools mit ab, indem sie entweder durch Workshops mit eingebunden werden, oder zumindest einen ersten Prototypen testen. Rapid Prototyping, um im Denglish zu bleiben!
  • Nachhaltige Projektförderung ist lebenswichtig. Denn auch das schickste Tool und tollste Projekt kann nicht nachhaltig sein, wenn die Projektförderung ausläuft und dann kein Plan B dahinter steht. Wie wir alle wissen: Auf lange Sicht muss ein tragbares Finanzierungskonzept her (da wären wir wieder bei Learning Nr. 1!). Aber weil wir auch wissen, dass das nicht immer (direkt) möglich ist: Anschlussfinanzierung sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden.

Wenn die neuen Gewinner diese Tipps beherzigen, kann’s ja losgehen!

 

Mit gutem Beispiel vorangehen

Was es bedeutet, Demokratie wirklich zu leben, wurde an diesem Abend einmal mehr deutlich: Haltung zeigen, sich einsetzen und Ideen in die Welt tragen. In einer Fish Bowl im Anschluss an die Projektvorstellungen wurde leidenschaftlich und kontrovers diskutiert. Die Ausgangsfrage hatte uns Katja Jäger, Projektleiterin von demokratie.io mit auf den Weg gegeben:

Wie bringen wir das, was in der engagierten digitalen Zivilgesellschaft passiert, mit der politischen Arbeit zusammen? Wie können wir eine Anschlussfähigkeit ans politische System mitdenken?

Niklas Rakowski, Valentin Münschner, Philipp Otto, Paulina Fröhlich und Thomas Heppener (v.l.n.r.)

Wir haben einige Stimmen dazu gesammelt:

„Der allererste Schritt um unsere Anliegen in die Politik zu bringen, ist Begegnungsräume zu schaffen, sich kennenzulernen und dadurch Vertrauen zu entwickeln.“

“Möchten wir wirklich, dass diese Initiativen direkt ins politische System mit eingehen oder geht es nicht auch darum, aus der Zivilgesellschaft einen Gegenpol zum politischen System zu bilden?“

„Ich kann nur dazu raten, laut und kraftvoll in das System zu wirken.“

„Die Frage ist, wen wir zurzeit wirklich erreichen – Stichwort digital literacy. Es geht also auch darum, die Leute zu befähigen, sich in solche Prozesse einzubringen.“

„Wir müssen den Menschen zeigen, welche Möglichkeiten sie haben, wirklich Einfluss zu nehmen, ohne immer nur besorgt zu sein.“

„An ganz vielen Stellen fehlt es dem Bereich der digitalen Zivilgesellschaft noch an Professionalität und Handwerkszeug, um Einfluss auf die Politik zu nehmen: Wo interveniert man? Wie funktionieren die Prozesse? Wann ist die entscheidende Nacht, in der ein Absatz in einem Gesetzesentwurf noch rausgenommen wird?“

 

Was wir vom Event mitnehmen

Bei demokratie.io reloaded haben wir noch noch einmal mehr gesehen: Digitales und Demokratie gehen gut zusammen, wenn positiver Gestaltungswille in die Praxis kommt. Wir wollen mit demokratie.io digitale Potentiale erkennen, sie befördern und erfolgreiche Ansätze skalierbar machen. Dazu braucht es einerseits harte Faktoren wie eine nachhaltig angelegte Förderlandschaft, die auf nachhaltige Wirkung zielt. Vor allem aber braucht es Offenheit und Mut, wirklich zu kollaborieren. Systemische Lösungen statt Insellösungen. Diesen Spirit haben wir an dem Tag gespürt, das macht Lust auf die nächste Runde der Projektumsetzung!