Einmal in die USA und zurück: Unser Prototyp ist da

Wir werden ein Computerspiel erstellen, dass es “Sechs- bis Neunjährigen ermöglicht sich spielerisch mit Möglichkeiten von politischer Partizipation und Teilhabe an gesellschaftlichen Diskursen auszuprobieren.” – mit diesen Worten haben wir unseren ersten Blogbeitrag  beendet, in dem wir das Vorhaben EZRA beschrieben haben.

Seit dem ist nicht nur viel Wasser den Rhein hinabgeflossen. Zur Hauptzielgruppe unseres Spiels haben wir junge Menschen mit geringer Identifikation bis Misstrauen gegenüber unserem demokratischen System, dessen Institutionen sowie deren Vertreterinnen erklärt. Hierbei im speziellen Kinder aus migrantischem bzw. post-migrantischem Milieu, die mit Eltern aufwachsen, die selbst ein geringes Wissen über die Möglichkeiten politischer Partizipation in Deutschland haben und dieses dementsprechend auch nicht vorleben können.

Hierbei konnten wir auf Learnings aus einem Projekt mit dem gleichen Ziel aber einem Fokus auf Berlin Neukölln zurückgreifen. Bei diesem 2017/18 durchgeführten Projekt hatten wir Location Based Mobile Games als Methode für eine Mischung aus politischer Bildung und Sozialraumaneignung genutzt. Dieses Projekt ist damals bei den jugendlichen Spielenden extrem gut angekommen.

Laut unserer Evaluation konnten die Spielenden sich mit der Protagonistin und der Geschichte identifizieren, wodurch die Auseinandersetzung mit den Inhalten leicht fiel. Ein Hauptfaktor hierfür war, dass die Jugendlichen sich in der Sprache, in den Formulierungen und in den verwendeten Worten wiederfanden. Und das wiederum lag daran, dass wir das gesamte Spiel mit Jugendlichen entwickelt haben. Dass wir mit ihnen alle Inhalte aufgearbeitet und in einer Geschichte verpackt haben. Die Jugendlichen haben alles formuliert, alle Bilder erstellt und die Charaktere gezeichnet. Somit hatte das Spiel eine hohe Authentizität, wodurch die spielenden Jugendlichen den Inhalten eine höhere Glaubwürdigkeit zusprachen.

Uns war also auch für unser Point&Click Adventure EZRA klar, dass, wenn wir ein Spiel machen wollen, welches unsere Zielgruppe erreicht und bei diesen einen Outcome erzielt, wir das nicht allein mit ein paar Game-Design-Professionellen in einem Kreuzberger Hinterhof-Büro machen können.

Wir gingen und gehen davon aus, dass wir ein glaubwürdigeres Spiel erstellen, wenn wir mit Menschen arbeiten, die möglichst nahe an der Zielgruppe dran sind. Die von gut ausgebildeten Erwachsenen getroffenen Formulierungen erreichen möglicherweise die Zielgruppe weniger, weilsie nach Schule riechen – nach Bevormundung, nach Top down.

Besonders bei dem Thema politische Teilhabe, dem Versuch Vertrauen in Politische Institutionen und deren RepräsentantInnen aufzubauen, ist Glaubwürdigkeit von höchster Wichtigkeit.

Es gibt so viele toll aufgearbeitete Lehrmaterialien zum Thema, das die Kinder und Jugendlichen leider nicht erreicht, weil sie sich selbst darin nicht repräsentiert sehen. Weil die Lehrmaterialien die realen Verhältnisse reproduzieren, in denen sie unterrepräsentiert sind bzw. sich in einer wenig mächtigen Rolle befinden.

Mit einer Gruppe von 6 Jugendlichen haben wir uns also über drei Monate jeden Samstag getroffen, um uns mit den Möglichkeiten politischer Partizipation auseinanderzusetzen und dazu eine Story zu entwickeln. Es sollte also partizipativ ein Spiel über Partizipation entstehen. Um Partizipation zu ermöglichen und die Jugendlichen nicht nur als Dekoration dabeisitzen zu haben, mussten wir sie mit den nötigen Informationen versorgen und dem Handwerkszeug ausstatten, das ihnen ebendies ermöglicht.

Nach einigen Wochen der Auseinandersetzung mit politischem und spieltheoretischem haben wir uns dann mit einer Programmiererin und einem Grafikdesigner von Tiny Crocodile Studios  zusammengesetzt. Hier bekamen wir Workshops zu den Themen Game Design, Programmierung und Grafik Design. Danach konnten wir unsere Gruppe, die mittlerweile auf acht Jugendliche angewachsen war, in Departements aufteilen, sodass einige mit dem Grafikdesigner, einige mit der Programmiererin und einige mit uns an der Story arbeiten konnten.

Über die meisten dieser Termine haben wir auf unserem Blog berichtet. Da Partizipation unserer Erfahrung nach eben auch Perspektiven braucht, haben wir unsere Spielentwicklungsgruppe über den Besuch verschiedener Veranstaltungen in der Berliner Games-Szene verortet. Dabei auch das Talk&Play, einer Veranstaltungsreihe bei der SpieleentwicklerInnen vorstellen, woran sie gerade arbeiten. Hier konnten wir die Perspektive eröffnen, auf ebendieser Veranstaltung unser Spiel zu präsentieren, wenn wir soweit sind, dass wir etwas zu zeigen haben.

An diesem Punkt sind wir nun. Wir haben etwas zu zeigen. Anfang August haben wird die Arbeit an dem Prototypen unseres Spiels EZRA beendet, den unser Creative Producer Max Neu auf der Konferenz „PLAY MAKE LEARN“ in Madison, WI, USA präsentieren konnte. Die Präsentation des Prototypen fand auf dieser Konferenz statt, da dort im Jahr 2018 die Idee zu EZRA geboren wurde, als wir die Vorstellung des wunderbaren Spiels „The Adventures of Joe Wilder“  von Field Day Lab  besuchten.

Bei der Entwicklung von EZRA stand Max Neu immer wieder in Kontakt mit dem Entwicklungsteam von The Adventures of Joe Wilder und konnte auf deren Learnings zurückgreifen. Die Erste öffentliche Präsentation des Prototypen von EZRA wird in Deutschland auf dem „Clash of Realities“ in Köln am 19.11.2019 im Colone Game Lab stattfinden.