Ein bisschen wie Schule, doch mit mehr Praxis: Kick-off der Learning Journey

Austausch, Peer Learning und wirkungsorientiertes Handeln stehen im Fokus der Learning Journey von demokratie.io. Weil die Gewinnerprojekte von demokratie.io dabei nicht nur allein werkeln sollen, kommen an diesem Tag im Februar 12 InnovatorInnen in den Räumen des betterplace lab zusammen, um gemeinsam ebensolche Learning Journey miteinander zu beginnen. Doch was ist überhaupt eine Learning Journey? Und wie steigt man da am besten ein? Erstmal raus aus der Komfortzone, dachte sich Katja und startet den Tag mit einer Meditation zum richtigen Ankommen.

Vom Inneren ins Äußere kommen

Ein ideale Vorbereitung auf das, was heute passiert: Reflexion des eigenen Wirkens, voneinander Lernen und gegenseitiges Unterstützen im geschützten Raum. Weil wir bei demokratie.io gemeinsam lernen wollen. Weil Austausch und stete Spiegelung des eigenen Tuns und der Konsequenzen – auch der Abgleich mit den initial gesetzten Zielen – dazu führen sollen, einen klareren Blick auf das große Ganze werfen zu können: Die Chancen und Potentiale der Digitalisierung für die Demokratie. Ziel des Workshops ist es also, die Menschen hinter den Gewinnerprojekten in den Reflexionsmodus zu bringen. Sie anzuleiten, ihr eigenes Handeln mit Blick auf die Wirkung zu überdenken und ihre Mission samt klaren Zielvorstellungen so zu formulieren, dass man mit einem Fahrplan im Gepäck die Segel hissen kann, volle Kraft voraus. (Hinweis: Der Analogie der Seereise bedienen wir uns hier ganz bewusst, auch Phineo nutzt dieses Bild, um Wirkungsorientierung fassbarer zu machen, sehr zu empfehlen im Kursbuch Wirkung)

Dass dabei auch mal das eigene Workshop-Konzept über den Haufen geworfen werden muss, finden wir durchaus passend für den Kontext von demokratie.io. Doch von vorn. Zunächst verordnet Katja zum Warmwerden eine projektübergreifende Besinnung zum großen Thema Demokratie: Was bedeutet eigentlich Demokratie für mich, was ist mein persönlicher Beitrag dazu und der meines Projektes? Und kann digital die Demokratie bereichern oder eher nicht? Nicht selten gerät man dabei vom Hundertsten ins Tausendste. Die Gruppe spielt zurück: „Inwieweit kommt die Lösung eigentlich wirklich aus dem Digitalen, oder ist die Lösung “einfach nur” digitalisiert worden?“ Good point, finden wir.

Jetzt aber Ärmel hoch und ran ans Konkrete: Jedes Projekt soll seine eigene Mission auf den Punkt bringen und in einen Satz gießen. Helfen soll hier das Framework, sein Tun einzuordnen in (1) Ziel, (2) Zielgruppen und (3) Aktivitäten. Erinnert ein bisschen an den Lückentext aus der Schule: „Wir möchten … (Ziel) für/mit … (Zielgruppen), indem wir … (Aktivitäten) tun.“ Gar nicht so banal, bestätigt eine Teilnehmerin: „Oft ist es komplizierter als gedacht, seine Mission genau zu beschreiben, dabei die Zielgruppe im Blick zu haben und das eigene Tun und Wirken immer wieder kritisch auf darauf abzuklopfen“. Präsentiert werden nach der Arbeitsphase in den Projektteams tolle Mission-Statements, vorgetragen mit künstlerischen Darbietungen auf Flipcharts. Eingängig!

Doch nicht so schnell, noch sind wir nicht fertig. Die nächste Aufgabe: Make it SMART! Was hier eher im Hintergrund wabern sollte, nämlich die Anleitung zum SMART Goalsetting (im Deutschen steht das Akronym je nach Quelle für: Spezifisch, Messbar, Akzeptiert, Realistisch, Terminiert), wird schnell zur echten Herausforderung. Ganz so trivial ist der Sprung von der übergeordneten Mission zum abgeleiteten Handlungsziel dann doch nicht. Hätten wir uns denken können, denn wir im lab legen auch nicht vor jedem unserer Handlungsschritte eine umfangreiche Strategiestunde ein. Sollten wir vielleicht öfter mal tun, das regt auch uns zum Nachdenken an. Aber zurück zum Geschehen, das Ergebnis vom intensiven Einsatz von ordentlich Hirnschmalz: 5 Projekte, die die Demokratie auf faszinierende Weise bereichern!

 

AbgeordnetenwatchWir möchten parlamentarische Vorgänge transparenter machen für Menschen, die sich selbstbestimmt eine Meinung bilden möchten, indem wir Videos von Parlamentsdebatten mit Kontextinformationen, wie Plenarprotokollen, Abgeordnetenprofilen, Nebentätigkeiten etc. verknüpfen und zusammenhängend darstellen, mit dem Ziel, das Frageaufkommen auf AW innerhalb eines Jahres um 10% zu erhöhen.

Aula:  Wir möchten die Beteiligungsmöglichkeiten zur Gestaltung der eigenen Schule für SchülerInnen der aula Schulen ab dem kommenden Schuljahr (18/19) niedrigschwelliger machen, indem wir aula mit einer App ergänzen, die den Nutzungsgewohnheiten junger Menschen entspricht, und so mehr Schüler und neue Schulen erreichen.

Digi.Dem.Cities: We want to provide concrete knowledge and tools through the platform (digital learning) and through (5) launch / public events (analogue learning) to support activists and the interested public to become active themselves and engage with the issue of the initiatives

FragdenStaat: Wir möchten mindestens 5.000 Menschen dazu befähigen, ihr Recht auf Informationsfreiheit wahrzunehmen, indem wir mit mindestens zwei NGOs und Bürgerinitiativen bis August 2018 mindestens zwei Kampagnen mit vorformulierten IFG-Anfragen entwickeln.

Unsichtbares Jena: Wir möchten die Kommunikation innerhalb einer Stadt verbessern, indem bürgerschaftliche Gruppen sich besser über Anliegen austauschen können und die digitalen Fähigkeiten von SchülerInnen gefördert werden.

 

Wirkung: im Alltag oft ausgerufen, selten zurecht

Während bisher viel über Aktivitäten gesprochen wurde, schauen wir jetzt genauer hin: Inwiefern zielen diese Aktivitäten wirklich auf WIRKUNG ab? Katja erläutert: „Wirkungen sind Veränderungen, die Ihr mit Eurer Arbeit bei Euren Zielgruppen, deren Lebensumfeld oder der Gesellschaft erreicht.“ Anhand der Wirkungstreppe veranschaulichen wir den Unterschied zwischen eingesetzten Ressourcen, daraus resultierenden Leistungen und letztlich erzielten Wirkungen.

 

 

Der Blick auf das – so nennen wir es – Big Picture soll nochmals verdeutlichen, dass Wirkungsorientierung eine Form der Projektsteuerung ist, die in alle Aspekte Eingang finden sollte. Wirkungsanalyse ist dabei nur der letzte Schritt, das Geplante mit der Realität abzugleichen, zu identifizieren, wo es hakt, um nachjustieren zu können. Wir versuchen zu vermitteln: Wirkungsanalyse ist ein Handwerk, das man erlernen kann, und nichts, wovor man sich als Projekt scheuen muss. Wirkungsorientierung ist der strategische Überbau, der an erster Stelle stehen sollte. Strategie ist manchmal müßig, und kommt im Projektalltag oft zu kurz. Das wissen auch wir, deshalb wird nun nicht aufgeschoben, sondern wir nutzen die Gunst der Stunde: Jedes Projekt darf frisch betankt mit diesem Hintergrundwissen selbstkritisch darüber sinnieren, inwiefern sie ihr Projekt stets wirkungsorientiert betreiben. Die Erkenntnis: Ganz so klar ist das Bild zum Thema Wirkung bisher nicht. Gut, dass wir drüber sprechen. Hilfestellung bietet der Workshop auch in Bezug auf spätere Skalierung: „Das Projekt einmal vom Ende her zu denken und die Wirkungstreppe durchzudeklinieren war sehr hilfreich, vor allem, wenn es darum geht, das Projekt auszuweiten“, findet Alexa von Aula. Die TeilnehmerInnen sind sich einig und fest entschlossen, diese Art des Denkens und Planens stärker in ihre Projektarbeit einfließen zu lassen. Für uns heißt das: Erstes großes Ziel für den Tag erreicht! Eine wichtige Anmerkung zum Abschluss: Der Wunsch, die Diskussion um Technik und Digitalisierung auf gesellschaftlicher Ebene zu führen und kritisch zu hinterfragen, was die Digitalisierung für die Demokratie leistet und überhaupt leisten kann. Da ist doch Musik drin!

 

Für’s Hausaufgabenheft: Hier noch ein paar Anleitungen dazu, sein eigenes Projekt in Bezug auf Wirkungsorientierung zu hinterfragen:  

„Habe ich mein Wirkungszahl SMART formuliert, sodass ich überhaupt Aussagen über Erfolge treffen kann?“

„Ist eine Nutzerzahl eines digitalen Angebots wirklich aussagekräftig für mein Wirkungsziel? Kann ich von der Nutzung eines digitalen Angebots auf eine Veränderung des Bewusstseins oder Handelns in der Zielgruppe schließen?“

„Sagt die Social Media Interaktion wirklich etwas darüber aus, ob mein Angebot erfolgreich rezipiert wurde? Wenn ja, inwiefern?“

„Welche qualitativen Indikatoren können Aussagen über die Wirkung meines Angebots liefern?“

„Welche Methoden eignen sich zur Analyse: Analytics-Zahlen, Umfragen unter den Nutzern oder gar Experten-Interviews?“

„Nehme ich mir auch mal Zeit, die übergeordnete Mission zu überdenken? Ist sie noch zeitgemäß? Hat sich meine Mission weiterentwickelt?“

 

“UX design is more than icons, colors and the interface”

In medias res geht es dann zum Thema Human Centered Design: Ame Elliot von Simply Secure teilt ihr Wissen zu User Experience und betont die wichtige Rolle von Design für Sicherheit, Datenschutz und letztlich für das Erzeugen von Vertrauen auf Nutzerseite, eines der wichtigsten Elemente für die Nutzung eines digitalen Angebots: „The UX design details shape influence and trust for the user“, so Ame. Das ist gerade in Bezug zu sensitiven (politischen) Themen oder einer schutzbedürftigen Zielgruppe wie Schüler essentiell! Womit wir gleich beim nächsten wichtigen Thema wären: Zielgruppengerechte Aufbereitung und Kommunikation. Ame betont auch hier wieder wie wichtig es ist, eine konsistente und angemessene Tonalität zu nutzen. Slack-Nutzer kennen das: Man freut sich irgendwie, wenn einem der Slack-Bot ab und an mal wieder daran erinnert, eine Pause einzulegen. Natürlich ist dieser locker flockige Stil nicht für jedermann angemessen: „Wording is complicated. You really have to be precise to find the right tone and language of what you want to address.“

Wichtiges Takeaway für die Projekte also: Seinen Stil finden, und diesen nicht nur hübsch, sondern auch zielgruppengerecht aufbereiten, am besten so, dass man gefühlt nebenbei noch über seine Data-Policy aufklärt. Bevor das Tool dann raus in die Welt geht, noch bedenken: Tools bieten eine wunderbare Fläche für User-Feedback: „Its never too early to get user feedback! Observations are an important part of user research.“ Bei der User-Research lohnt es manchmal auch, das Feld von hinten aufzuziehen und seine Nutzergruppe gleich in die Entwicklung des Tools mit einzubeziehen – so wie etwa das Gewinnerprojekt Un/Sichtbares Jena. Ame schließt mit dem schönen Rat: „You were selected [at demokratie.io] because you got a vision to make the world better focus on this.“ Schönes Schlusswort, danke Ame! (Zum Nachlesen gibt’s die UX Resources von Simply Secure (CC-BY Simply Secure) für jeden, der sich noch mehr mit dem Thema UX und Design auseinandersetzen möchte.)

 

Und wohin mit all dem Wissen? Na, raus in die Welt!

Viel Wissen in unseren Köpfen, aber da soll es nicht bleiben. Ein Ziel bei demokratie.io ist es, einen Wissensspeicher aufzubauen, in dem sowohl wir als auch die Projekte selbst über ihre Erfahrungen bloggen. Damit das gut gelingen kann, gibt’s zum Nachmittag eine Portion Redaktion und strategische Kommunikation aus den Projekten zum Nachtisch. Jedes Projekt definiert hier zunächst die Teilziele und Aktivitäten der nächsten sechs Monate auf der sogenannten Milestone-Map (siehe unser Headerbild). Als nächstes gilt es zu überlegen, was davon kommunikationsrelevante und spannende Inhalte sein könnten. Isabel empfiehlt das gute alte Storytelling: Erzählt die Geschichten hinter den Milestones! Die sind nämlich durchaus berichtenswert: So gründete sich die Entwicklung der Aula App auf der Erkenntnis, dass sich Lese- und Nutzungsgewohnheiten der Zielgruppe grundlegend von den Annahmen unterschieden. Aula hatte zuvor einen schicke Website gebaut, dann aber festgestellt, dass die SchülerInnen diese kaum nutzen. Hier lohnte ein genauerer Blick auf die Zielgruppe mittels Umfragen und Interviews. Stellt sich heraus: Die SchülerInnen von heute nutzen die Website nicht, weil sie ihre Logindaten vergessen. Zwei Möglichkeiten, dachten sich die Macher von Aula: Wir erziehen die SchülerInnen um (aufwendig bis nahezu unmöglich) oder wir entwickeln gleich ein zielgruppengerechtes Angebot, die Aua App. Schönes Beispiel, weil man hier den Rückbezug zur Wirkungsanalyse in der Praxis wiederfinden kann! Doch auch die anderen Projekte haben spannende Geschichten zu erzählen, heraus sind eine Bandbreite an Themen. Doch die berichten nicht wir, sondern sie selbst. Und zwar ganz bald hier im Bereich der Learning Journey auf demokratie.io. Ganz viel Innovation und Digitales für unsere Demokratie, erfahrbar aus erster Hand, wir freuen und drauf!

 

* Practise what you preach: Ganz im Sinne von Co-Kreation ist dieser Blogpost aus der gemeinsamen Feder von Isabel und Katja entstanden.